Der Viktoria-Luise-Platz zu Berlin
Wussten Sie ... ... dass der Platz seinen Namen nach der einzigen Tochter von Kaiser Wilhelm II. trägt, die Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg heiratete und damit die Großmutter des Ehemannes von Prinzessin Caroline von Monaco ist? Ihre Tochter Friederike wurde Königin von Griechenland, Königin Sophia von Spanien ist ihre Enkelin. ... die Namenspatin
... die Zeitreise
Landschaftsgärtner Fritz Encke hatte es einst noch barocker geplant. Als der Platz 1980 wiederhergestellt wurde, wurden die im historischen Plan vorgesehenen Blumenrabatten durch farbige Mosaikfliesen ersetzt. Es wurden 25 Lindenbäume gepflanzt, 25 Laternen im Wilhelminischen Stil angebracht und 24 Bänke aufgestellt. Nicht gepflanzt wurden z.B. die Palmen, die auf alten Abbildungen zu sehen sind. In der Mitte erhebt sich die hohe Fontäne des schlicht gehaltenen Sandstein-Brunnens.
Die Gestaltung des Platzes orientierte sich einst an den einzelnen umliegenden klassizistischen Bauten. Um den Platz, am 9. Juni 1900 fertiggestellt, wurden weitere Häuser im damaligen Zeitgeist zwischen Gründerzeit und Jugendstil errichtet. Haberland, dem Direktor der Berlinischen Bodengesellschaft, schwebte als Vorbild für die als Einzelobjekte geplanten damaligen Neubauten das Bild der bayerischen Kleinstadt vor. Daher stammt der Name "Bayerisches Viertel" oder, inzwischen vergessen, "Klein-Nürnberg". Nach dem Krieg ersetzte man, was zerstört war, mit neueren Hausmodellen, so dass das Hausarrangement eine 100jährige Architekturgeschichte vorweisen kann, die sich an diesem Platz in ihren Gegensätzen voll entfaltet und sich zu einem ästhetisch schönen Gesamtbild fügt. Die Häuser
Er baute Gartenanlagen
in die Häuser und mehrere Aufgänge. Außer über den
Eingangsportalen blieb die Fassade für damalige Zeiten
schlicht: keine Giebel, keine Stuckfiguren. Diese "soziale"
Anpassung der Architektur wird aber ästhetisch nicht als
weniger wert empfunden, sondern von Messel positiv
gewendet mit einer Aneinanderreihung kleiner Elemente.
Dieses Konzept verwirklichte er auch am Lette-Verein 1902.
Nur das schwere Eingangsportal stört die neuartige
Bauweise. Wahrscheinlich sind die Säulen und das Emblem
über dem Portal eine Huldigung an die kaiserlichen
Finanzgeber. Zudem korrespondiert die Gestaltung mit dem
ebenfalls imposanten Schuleingang im Innenhof. Das
schlichte Hoftor, das den heutigen Haupteingang
Sie verspricht ein
Geheimnis zu enthüllen, wenn erst das Bollwerk der
Vielleicht ist es ein künstlerischer
Hinweis darauf, dass dies keine Wohngegend ist, auf der
man auf Zehenspitzen laufen muss. Hier schlägt das Herz
des Berliners. Kinder dürfen noch toben und die
Motorradfahrer ihren Umdrehungszahlen lauschen. Dennoch Der Nebeneingang hat eine ebenso schöne Tür, die sich dezent in die Marmorfassade einfügt. In diesem Haus soll Prinzessin Viktoria Luise eine Wohnung gehabt haben. Überhaupt hatte sie ihre Hofdamen an diesem Platz einquartiert. Das Haus daneben ist ein stolzer Neubau, der wohl von dem Architekten Peter Träger stammt.
Man kann aber auch noch vorher einen Blick auf die Gedenktafeln am Haus Nr.1 werfen, die auf Liane Berkowitz und Rudolf Bernauer hinweisen. Diese zwei Namen stehen für die emigrierten, deportierten und ermordeten Juden aus diesem früher "Jüdische Schweiz" genannten Viertel. Geschichte Als Schöneberg Zug um Zug in Berlin eingemeindet wurde, wurde aus den landwirtschaftlich genutzten Äckern begehrtes Bauland. Beinahe über Nacht wurden die Grundbesitzer zu Millionären. Der Begriff "Millionenbauer" erfuhr durch den Roman von Max Kretzer seine literarische Festigung, indem er beschrieb, wie die ursprünglichen Besitzer ihr Land an Bauunternehmer verkauften. Einer von ihnen war Georg Haberland. Oberbürgermeister wurde der Berliner Stadtrat Rudolph Wilde. Wilde war der Schöpfer großer kommunaler Bauvorhaben. In seine Amtszeit fällt auch die Errichtung des Stadtviertels um den Viktoria-Luise-Platz. Nach dem ursprünglichen Bebauungsplan sollte der "Platz Z." an der Kreuzung Martin-Luther-Straße und Motzstraße entstehen, jedoch beeinflussten die dortigen Bodenbesitzer, dass nicht ihr Terrain dazu abgegeben werden musste, sondern das vom Kaufmann Engel, der nicht im Gemeinderat saß. Vom heutigen Verkehr aus gesehen ist es nicht zu bedauern, dass der Platz hier und nicht an der Martin-Luther-Straße entstand.
In den ersten Jahren fand Georg Haberland die Zustimmung der Gemeindeverwaltung in seiner Art der Grundstücksvergabe. Er parzellierte diese nicht nur, sondern gab auch den Bebauungsgrundriss und sogar die Fassadenentwürfe vor, es ging ihm vor allem darum, rentabel zu verkaufen. Es formierte sich eine Opposition aus Bodenreformern und Liberalen, für die Georg Haberland die Repräsentationsfigur der Bodenspekulation war. Erst unter dem neuen Oberbürgermeister Alexander Dominicus kam es nach 1911 zur Verständigung.
Das gemeinsame Interesse an vornehmen Wohnvierteln ließ Wohnquartiere ohne tiefe Baublöcke entstehen. Vorhandene tiefere Baublöcke wurden nicht an Industrie oder Gewerbe vergeben, sondern dienten Schöneberg zum Ausbau seiner städtischen Aufgabe, wie Verwaltung oder Schulen, bzw. wurden zu ähnlichen Zwecken privat verkauft, wie an den Lette-Verein. Alfred Messel, der Architekt des Lette-Vereins (1902 erbaut) schalt als Vertreter der Gründerzeit-Bewegung die Schinkelsche Schule der Gleichförmigkeit und der sozialen Ungleichheit: die städtische Architektur sei auf das gutbetuchte Vorderhaus ausgerichtet, während die ärmeren Hinterhofbewohner in dunklen, ungesunden und ungeschmückten Räumen leben mussten. Er baute Gartenanlagen in die Häuser und mehrere Aufgänge. Aber wie Schinkel die Straßen des 18. Jahrhunderts kritisierte, so kritisierte das 20. Jahrhundert die Gründerzeitbauten. Nietzsche beklagte in seinem "Gang durch die Straßen" das chaotische Durcheinander, den Tumult aller Stile.
Bau der U-Bahn Der letzte Kaiser, Wilhelm II, entschied für Schöneberg: es bleibt bei der Hochbahn. Der Bauabsicht einer Untergrundbahn aber kam entgegen, dass durch Georg Haberland das Bayerische Viertel parzelliert und an gutsituierte Bürger verkauft werden konnte, die auch bereit waren, den entsprechenden Fahrpreis zu zahlen. So wurde die Bahn eine rein lokale Angelegenheit von Schöneberg mit eigener Stromversorgung, eigenen Wagen und einem eigenen Betriebsbahnhof. Architekt war E. Deneke. Eröffnet wurde die U-Bahn 1910. Sie ist 3 km lang und führt vom Rudolph-Wilde-Park zum Nollendorfplatz. Als Besonderheit ist noch zu erwähnen, dass bei den Bauarbeiten in der Motzstraße Knochen vorgeschichtlicher Säugetiere gefunden wurden. Der Bahnhof steht ebenso wie der Platz seit 1982 unter Denkmalsschutz. Register Berkowitz, Liane (1923-1943) Abiturientin, schloss sich 1941 dem Widerstand gegen Hitler als Mitglied der "Roten Kapelle" an. Sie wurde verhaftet und 1943, zwei Tage vor ihrem 20. Geburtstag in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Ihr in der Haft geborenes Kind starb in einem Kinderheim. Sie wohnte von 1930-1943 im Damenhaus am Viktoria-Luise-Platz 1, dem Vorgänger des heutigen Baus Bernauer, Rudolf (1880-1953), Komponist, er schrieb Texte zu Berliner Operetten und Liedern: "Es war in Schöneberg, im Monat Mai", "Unter Linden, unter Linden", 1935 musste er nach England emigrieren Busoni, Ferruccio Benvenuto (1866-1924) Klaviervirtuose/Komponist, schrieb u.a. die Opern "Doktor Faustus" und "Turandot". Er wohnte bis zu seinem Tode in dem Vorgängerhaus Viktoria-Luise-Platz 11 Dominicus, Alexander (1873-1945), Oberbürgermeister von Schöneberg 1911-1921, Preußischer Innenminister Encke, Fritz Gartenplaner, schuf den Viktoria-Luise-Platz von 1898-1900 Haberland, Georg (1861-1933), Direktor der Berlinischen Bodengesellschaft Hessel, Franz (1880-1941), Schriftsteller (Kramladen des Glücks, Heimliches Berlin), 1933 Schreibverbot, 1938 Emigration nach Paris Jaffe Stadtbauinspektor, von ihm stammt der Entwurf der Pergola am Viktoria-Luise-Platz Lette, Wilhelm Adolf (1799-1868), Preußischer Politiker, Begründer des Lette-Vereins (1866). Eine der ältesten Stätten qualifizierter Berufsausbildung für Frauen. Heute koedukative Berufsfachschule Messel, Alfred (1853-1909), Professor, Architekt des Lette-Vereins von Motz, Friedrich Christ. Adolf (1775-1830), Staatsmann, Mitbegründer des Zollvereins Regensburger Straße Regensburg, Stadt in Bayern Viktoria-Luise Prinzessin von Preußen (geb. 1892), seit 1913 Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, einzige Tochter Kaiser Wilhelms II ... die Namenspatin Welserstraße Welser, Kaufherrengeschlecht in Augsburg Wilde, Rudolph (1857-1910), Erster Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister von Schöneberg seit der Stadtwerdung 1898-1910 Wilder, Billy (eigentl. Salomon Wilder) geb. 1906, Filmregisseur ("Some like it hot", "Eins, zwei, drei"), wohnte von 1927 bis 1928 zur Untermiete im Vorgängerhaus Viktoria-Luise-Platz 11 Wilhelm II (1859-1941), letzter Kaiser von Deutschland und König von Preußen von Winterfeldt, Hans Karl (1707-1757), General und Freund Friedrich des Großen |
Texte (aktualisiert) aus © 1999 Dr. Susanne Twardawa, Buchhandlung Motzbuch